25 Jahre Porsche Carrera GT – Vom gescheiterten Formel-1-Traum zum Supersportwagen-Mythos
26.09.2025Von Richard Lindhorst
Als Porsche im Jahr 2000 auf dem Pariser Autosalon eine Sportwagen-Studie mit V10-Mittelmotor präsentierte, ahnte kaum jemand, dass damit eine Ikone geboren wurde. Der Porsche Carrera GT war mehr als nur ein weiteres Kapitel in der langen Sportwagenhistorie aus Zuffenhausen. Er war das Ergebnis einer Kette von Projekten, die nie die Ziellinie erreichten – und genau darin liegt seine Faszination. Am 28. September 2025 feiern wir 25 Jahre Porsche Carrera GT. Er steht heute nicht nur für kompromisslose Ingenieurskunst, sondern auch für Tragödien, Ruhm und eine unvergängliche Aura.
Vom Formel-1-V10 zum Straßenauto
Die Geschichte des Carrera GT reicht zurück in die 1990er Jahre, als Porsche nach neuen Betätigungsfeldern suchte. Der Konzern hatte mit einem hastig entwickelten V12-Motor den Einstieg in die Formel 1 gewagt und bereits begonnen, an einen hochmodernen V10-Motor zu arbeiten. Doch das Arrows Team war vom ursprünglich eingesetzten Zwölfzylinder-Motor derart enttäuscht, dass die Kooperation beendet wurde, bevor der V10-Motor fertig entwickelt war.
Stattdessen wanderte der frei atmende Zehnzylinder in die Schublade – bis man bei Porsche auf die Idee kam, ihn für ein Sportprototypen-Programm in Le Mans zu nutzen. Doch auch dieses Vorhaben verlief im Sande. Zwar stellten die Stuttgarter den LMP2000 genannten Prototypen fertig, doch der Vorstand entschied, das Projekt einzustellen. Zurück blieb ein Motor, der nie im Wettbewerb zeigen durfte, wozu er fähig war. Doch im Hintergrund arbeitete man an einem Fahrzeug, das den Antrieb auf ganz andere Weise würdigte. Das Ergebnis war der Porsche Carrera GT, ein Mittelmotor-Supersportwagen, wie es ihn bis dahin von Porsche noch nie gegeben hatte.
Der Porsche Carrera GT wurde nicht in Zuffenhausen gebaut
Nachdem die Studie 2000 so gut ankam, sollte der Carrera GT in Serie gehen. Doch kurz vor Produktionsbeginn musste die „alte Garde“ um Walter Röhrl und Roland Kussmaul den neuen Sportler nochmals überarbeiten. Zu spitz war sein Fahrverhalten, zu schmal der Grenzbereich. Nachdem diese Aufgabe erledigt war, begann im Herbst 2003 die Serienfertigung des Porsche Carrera GT – allerdings nicht in Zuffenhausen, sondern im 2002 eingeweihten Werk in Leipzig.
Ausgestattet mit einem 5,7-Liter-V10, der 612 PS leistete, war er ein fahrendes Statement. Kein Turbolader, kein automatisiertes Getriebe, keine elektronische Stabilitätskontrolle, kein weichgespültes Komfortpaket – nur puristische Ingenieurskunst. Sein Kohlefaser-Monocoque war eine Premiere im Serienfahrzeugbau. Die Kupplung fertigte Porsche nicht einfach aus Sintermetall, sondern aus Keramik, die Bremse war natürlich eine Porsche Ceramic Composite Brake. Der Materialmix führte zu beeindruckenden 1.380 Kilogramm Leergewicht.
Die Fahrleistungen waren spektakulär. 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, eine Spitze jenseits von 330 km/h. Der Klang des Carrera GT war vollkommen Porsche-untypisch. Statt sägendem Sechszylinder oder Turbo-Säuseln erinnerte seine Tonlage eher an Formel-1-Triebwerke aus exotischen Materialien. Schnell wurde klar: Der Carrera GT war nicht für jedermann. Sein Preis? 452.690,- Euro.
Auch nach 25 Jahren ist der Mythos Porsche Carrera GT ungebrochen
Der Carrera GT war Anfang der 2000er die Antithese zu den elektronisch fortschrittlicheren Supersportwagen von Ferrari oder Lamborghini. Er verlangte Respekt, Präzision und fahrerisches Können. Auch nach 25 Jahren gilt der Porsche Carrera GT deshalb als letztes analoges Supercar. Das machte das Auto zu einer Ikone – aber auch zu einer Herausforderung.
Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass sich um Porsches zweiten Supersportwagen nach dem 959 schnell ein gewisser Mythos entwickelte. Er verkörpert die letzte Generation kompromissloser Supersportwagen, die den Fahrer fordern, statt ihn zu entlasten. In Zeiten, in denen Fahrassistenzsysteme den Grenzbereich kontrollierbar machen, wirkt der Carrera GT wie ein Relikt aus einer Ära der unbeugsamen Maschinen.
Doch diese Unbändigkeit hatte auch ihre Schattenseiten. 2013 erschütterte die Welt die Nachricht vom Unfalltod des Schauspielers Paul Walker. Der „Fast & Furious“-Star saß als Beifahrer in einem Carrera GT, der außer Kontrolle geriet. Nachdem das Auto mit stark überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Baum prallte und Feuer fing, war Fahrer Roger Rodas und Beifahrer Paul Walker nicht mehr zu helfen.
Ob das Unglück nun auf das Gefahrenpotenzial des Autos zurückgeht, werden wir nie erfahren. Doch es war zumindest eine brutale Erinnerung daran, wie schnell aus Fahrspaß Ernst werden kann. Der Porsche Carrera GT erinnerte uns daran, dass es nur eines etwas zu beherzten Gasstoßes bedarf, um mit einer technischen Meisterleistung eine menschliche Tragödie anzurichten. Die Tragödie mündete in einen Rechtsstreit zwischen Walkers Tochter Meadow und Porsche. Dass das Verfahren in einem Vergleich endete, trug maßgeblich zur Legendenbildung bei.
25 Jahre Porsche Carrera GT bedeuten auch 25 Jahre Spekulation
Von 2003 bis 2006 wurden in Leipzig 1.270 Porsche Carrera GT gebaut. Dass diese Sorte Fahrzeug nicht nur von Enthusiasten gefahren, sondern vielfach für Sammlungen und von Spekulanten gekauft wurde, erklärt sich von selbst. Mitte der 2010er Jahre verharrten die Preise relativ stabil knapp unterhalb des Neupreises. Gute zehn Jahre später kosten diese Autos mindestens siebenstellige Beträge. Mittlerweile ist er auch monetär auf dem absoluten Supercar-Olymp angekommen.
Zwar liegen die Wertzuwächse beim Porsche Carrera GT nicht mehr jährlich im zweifachen Prozentbereich, doch ein Preisverfall scheint ebenfalls nicht in Sicht. Zu sehr schätzen Sammler und Enthusiasten auf der ganzen Welt die gewissermaßen auf die Spitze getriebene Technik des 20. Jahrhunderts und den emotionalen Wert. Besonders interessant sind Modelle in seltenen Farben wie Fayence Gelb und mit Terrakotta-Interieur. Diese erzielen teilweise deutlich höhere Preise, als beispielsweise Carrera GT in GT-Silber mit schwarzem Innenraum.
Ein Blick zurück nach 25 Jahren Porsche Carrera GT
Ein Porsche Carrera GT ist mehr als ein Auto – er ist eine Zeitkapsel. Wir sehen in ihm ein Stück Automobilgeschichte, das wie kaum ein anderes von Brüchen, Wendungen und Emotionen geprägt ist. Der Carrera GT ist das Kind eines geplatzten Formel-1-Traums und eines abgebrochenen Le-Mans-Projekts. Er ist gleichzeitig Triumph und Mahnmal, Legende und Warnung.
Vermutlich bündelt kein anderer Porsche so viele Facetten der Markengeschichte in sich. Und es entbehrt nicht einer traurigen Ironie, dass der Porsche Carrera GT auch das Sprichwort „Geschichte wiederholt sich“ belegt. Denn mit James Dean ist 1955 ein ebenso aufstrebender, junger Hollywood-Star in einem Porsche ums Leben gekommen, wie 58 Jahre später Paul Walker.
Das Vermächtnis des Carrera GT ist einzigartig. Der Klang des V10, die kompromisslose Auslegung, die Tragödie um Paul Walker – all das macht ihn unsterblich. 25 Jahre Porsche Carrera GT bedeuten nicht nur ein Jubiläum, sondern die Feier einer Maschine, die es in dieser Form sicher kein zweites Mal geben wird. Happy birthday, Porsche Carrera GT!