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Der Fuhrmann-Motor – Das Königswellen-Kunstwerk

28.05.2025 Von Richard Lindhorst
Der Fuhrmann-Motor – Das Königswellen-Kunstwerk

Der Fuhrmann-Motor gehört zu den technisch faszinierendsten Kapiteln der Porsche-Geschichte. Als Rennmotor der 50er Jahre konstruiert, gilt er bis heute als Meisterstück der Ingenieurskunst. Das komplexe Präzisionsaggregat ermöglichte Porsche die ersten großen Motorsport-Erfolge und lässt mit seinem unverwechselbaren Klang niemanden kalt. Gleichzeitig war er so aufwendig konstruiert, dass er als Antrieb nur für die exotischsten Traumwagen seiner Zeit in Frage kam. Bis heute ist der Königswellen-Motor vom Typ 547 (später auch als Typ 692 und 587) eine Legende unter Technikfans – nicht nur wegen seiner Leistung, sondern auch wegen der Person dahinter: Ernst Fuhrmann.

Ernst Fuhrmann konstruierte den Porsche Typ 547 mit Königswellen Anfang der 1950er Jahre

Der 1918 in Wien geborene Ernst Fuhrmann begann nach Schulzeit und Wehrdienst 1936 ein Studium an der Technischen Hochschule Wien. 1947 kam er zu Porsche, wo er bald an zentraler Stelle an der Entwicklung von Motoren beteiligt war. 1950 promovierte Fuhrmann über Ventiltriebe bei schnelllaufenden Verbrennungsmotoren – ein Thema, das den Kern seines späteren Werks vorwegnahm. Von Ferry Porsche erhielt er nämlich 1951 den Auftrag, eine Hochleistungsversion des Vierzylinder-Boxermotors aus dem 356 zu entwickeln. Heraus kam 1953 der sogenannte Fuhrmann-Motor vom Typ 547.

1956 wechselte Fuhrmann zur Firma Goetze, einem Spezialisten für Kolbenringe. Doch er kehrte zurück: 1971 zunächst als Technischer Geschäftsführer und ab 1972 als Vorstandsvorsitzender der neuen Porsche AG. In diese Zeit fallen sowohl die Weiterentwicklung des 911 als auch das ambitionierte Projekt des Porsche 928, das den Elfer ersetzen sollte – ein Plan, den Fuhrmann initiierte – mit bekanntem Ausgang.

Der Fuhrmann-Motor war innovativ und hervorragend für den Renneinsatz geeignet

Der Fuhrmann-Motor vom Typ 547 war ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxermotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank, Doppelzündung – also zwei Zündkerzen pro Zylinder – sowie Trockensumpfschmierung. Im leichten Aluminium-Motorgehäuse mussten etwa 300 Komponenten montiert werden, so auch die vielzitierten Königswellen zum Antrieb der Nockenwellen. Das machte den Fuhrmann-Motor zu einem der fortschrittlichsten Verbrennungsmotoren im Fahrzeugbau der frühen 1950er Jahre. Das Aggregat war drehfreudig, thermisch stabil und hervorragend für den Renneinsatz geeignet.

Kein Wunder also, dass der von Ernst Fuhrmann entwickelte Motor im Porsche 550 1500 RS Spyder zahlreiche Klassensiege bei den größten Langstreckenrennen der Zeit einfuhr. So zum Beispiel bei den 24h von Le Mans und der Targa Florio. Die Fahrleistungen des anfangs gerade mal 1.498 ccm großen, 110 PS starken Motors in dem 550 kg leichten Spyder waren 1954 schlichtweg beeindruckend: 10 Sekunden dauerte der Sprint auf Tempo 100 und der Vortrieb endete erst bei 220 km/h. In der letzten Ausbaustufe erreichten die Fuhrmann-Motoren im Porsche 904 mit 1.966 ccm bis zu 180 PS. Im Porsche 787 kam der Fuhrmann-Motor 1961 sogar in der Formel 1 zum Einsatz und leistete im Monoposto nochmals zehn PS mehr als im 904.

Warum wird der Fuhrmann-Motor auch Königswellen-Motor genannt?

Der Fuhrmann-Motor (Typ 547) wird deshalb auch Königswellen-Motor genannt, weil er seine Nockenwellen nicht über Zahnriemen, Steuerketten oder Stirnräder antreibt, sondern über sogenannte Königswellen.

Was ist eigentlich eine Königswelle?

Als Königswelle bezeichnet man eine mechanisch angetriebene Welle mit jeweils einem kegelförmigen Zahnrad an beiden Enden, das man auch Kronenrad nennt. Daher stammt auch der Name Königswelle. Sie verbindet im Fuhrmann-Motor die Kurbelwelle mit den obenliegenden Nockenwellen in den Zylinderköpfen. Im Gegensatz zu sonst verwandten Steuerketten oder Zahnriemen bietet die Königswelle eine direkte, spielfreie und damit extrem präzise Steuerung der Nockenwellen – ideal für hochdrehende Rennmotoren.
Königswelle
© Rafael Krötz, Christophorus Ausgabe 412

In welchen Modellen gab es den Fuhrmann-Motor?

Der von Ernst Fuhrmann konstruierte Typ 547 kam von 1954 bis 1963 in folgenden Baureihen zum Einsatz:
– Porsche 550
– Porsche 645
– Porsche 718 RSK
– Porsche 356
– Porsche 787
– Porsche 804
– Porsche 904

Mit dem Königswellenmotor legte Ernst Fuhrmann das Fundament für Porsches Motorsport-Renommee

Der Fuhrmann-Motor ist oft auch als Carrera-Motor bezeichnet worden. Das hat seinen Ursprung im mexikanischen Straßenrennen Carrera Panamericana. Dort errang Hans Hermann 1954 in einem Porsche 550 Spyder mit einem 547er-Motor nämlich einerseits den Klassensieg, andererseits den dritten Rang im Gesamtklassement. Daher erhielt der Königswellen-Motor seinen spanischen Beinamen, der mit dem 356 A GS Carrera zum Modelljahr 1956 auch den Weg in Porsches Serienmodelle fand.

Mit dem Königswellen-, oder Fuhrmann-Motor errang Porsche zahlreiche internationale Erfolge im Motorsport. Zunächst im 550 Spyder auf der Carrera Panamericana, später auch im 718 RSK und 904. © Porsche

1956 ermöglichte das Hochleistungsaggregat zudem Porsches ersten Gesamtsieg bei der Targa Florio. Umberto Maglioli legte die zehn Runden des 72 km langen Straßenkurses auf Sizilien – abermals in einem 550 Spyder – als schnellster zurück. Durch diese Erfolge erlangte Porsche weltweit Berühmtheit. Die Fuhrmann-Motoren legten das Fundament für Porsches internationalen Ruf von höchstmöglichen Leistungswerten aus kleinen Hubräumen bei gleichzeitig hoher Zuverlässigkeit.

Achillesferse Komplexität – der Fuhrmann-Motor ist nur etwas für echte Spezialisten

Während die Performance des Fuhrmann-Motors wenig Wünsche offen ließ, war er für den Serienfahrzeugbau nur bedingt geeignet. Denn seine Komplexität, die konstante Weiterentwicklung und die Materialauswahl machen ihn zu einem schwer zu beherrschenden Aggregat. Im Motor treffen unterschiedliche Metalle aufeinander. Diese dehnen sich mit steigender Temperatur unterschiedlich stark aus und ziehen sich bei besonders tiefen Temperaturen unterschiedlich stark zusammen. Durch die extrem niedrigen Toleranzen – die Gleitlager der Zwischenwellen waren zum Beispiel mit „Null-Spiel“ bei Raumterpatur ausgelegt – waren die Motoren deshalb nicht frostfest.

Die Fuhrmann-Motoren blieben Rennfahrzeugen und besonders sportlichen Sondermodellen vorbehalten. Insgesamt entstanden keine 2.000 dieser Königswellen-Aggregate. © Schaltkulisse, Gooding & Company & Serge Heitz Automobile Consulting

Außerdem glich kaum einer der unter 2.000 gebauten Königswellen-Motoren dem anderen. Porsche entwickelte das Konzept über mehr als zehn Jahre fort. Schon kleine Abweichungen beim Zusammenbau zu Problemen – der Fuhrmann-Motor war eher Uhrwerk als Gebrauchsantrieb. Die aufwendige Technik war für Rennteams mit Spezialwissen und -maschinen beherrschbar, in der Serie jedoch kaum wirtschaftlich zu betreuen. Deshalb blieben die Fuhrmann-Motoren den Rennfahrzeugen sowie den hoch-exklusiven 356 & 904 Carrera-Modellen vorbehalten.

Der Fuhrmann-Motor war eher Uhrwerk als Gebrauchsantrieb.

Ein Vermächtnis mit Widersprüchen

So beeindruckend der Typ 547 war – sein Konzept war zu aufwendig für die Serie. Die Instandhaltung war teuer, die Fertigung anspruchsvoll und der Vorteil im Alltag gering. Mit der Einführung des 911 und des von Hans Mezger konstruierten Sechszylinder-Boxermotors war der Königswellen-Motor technologisch überholt. Als 1965 der letzte Serienwagen mit dem Fuhrmann-Motor gebaut wurde, war die Ära vorbei. Später bezeichnete Fuhrmann den Motor, der ihm weltweit Anerkennung eingebracht hatte, fast schmunzelnd als „Jugendsünde“ – ein ehrlicher Rückblick eines Ingenieurs, der wusste, dass technischer Fortschritt manchmal auch bedeutet, sich selbst zu überholen.

Ernst Fuhrmann hat Porsche auf zwei Ebenen geprägt: als genialer Motorenentwickler und später als Vorstandsvorsitzender. Dass sich ausgerechnet seine beiden großen Visionen – der Königswellenmotor und der Porsche 928 – langfristig nicht durchsetzten, wirkt beinahe tragisch. Doch beide Konzepte hatten ihre Zeit, ihre Fans und ihre Bedeutung. Ohne den Fuhrmann-Motor wäre Porsche im Motorsport der 50er-Jahre kaum so erfolgreich gewesen. Und ohne den 928 hätte es vielleicht nie den Beweis gegeben, dass Porsche auch GTs auf Weltklasseniveau bauen konnte. Fuhrmanns Name bleibt damit fest in der Porsche-Geschichte verankert – als Konstrukteur, als Lenker, als Pionier.

© Titelbild: Rock ’n Roll Classics

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