Fotograf Frank Kayser ist niemand, der sich gern selbst vermarktet. „Ich komme mir immer vor wie ein Politiker, wenn ich über mich sprechen soll“, erzählt der 57-Jährige. “Ich lasse lieber meine Bilder sprechen, als mich selbst vor der Kamera zu inszenieren”. Seine Arbeit hat ihn von der Rhön über alle Kontinente auf Flugzeugträger, sogar auf Raketenbasen in Baikonur geführt. Kayser inszenierte Verfolgungsjagden mit Supersportwagen und Kampfhubschraubern sowie Werbekampagnen für Porsche Motorsport, BMW und Audi Sport. Er kennt die schönsten Landstraßen der Welt, genauso wie die legendärsten Rennstrecken.
Auch an der amerikanischen Westküste kennt sich der gebürtige Hesse bestens aus. Der Mann ist mit der Marke und der Porsche Community verschweißt, wie kaum ein anderer Fotograf. Das hat neben seinen vielen Marketing Shootings für Porsche vor allem einen Grund. Es ist sein selbst verlegtes 580 Seiten starkes RBook über die RGruppe, den legendären kalifornischen Porsche Outsider Club.
Frank Kayser wurde 1967 in Fulda geboren. In dieser Gegend wuchs er auf und kehrte nach fast 20 Jahren, davon auch einige im Ausland, wieder in seine Heimat zurück. “Hier habe ich meine Base. Ich bin beruflich viel unterwegs, oft im Ausland, da erdet mich die Gegend schon sehr. Die Menschen hier sind bodenständig, die Kinder wachsen unbeschwert auf und zum Rennradfahren ist die Region großartig”, kommt Frank auf seine zweite Leidenschaft zu sprechen.
Frank Kayser ist Fotograf, Filmemacher und Verleger. Ihm verdankt die Porsche-Szene tiefe Einblicke in die US-amerikanische Porsche-Kultur.
Seine erste große Leidenschaft, die ihn seit mittlerweile über 30 Jahren auch beruflich ausfüllt, sind klassische Autos. Ich möchte wissen, wo es anfing und frage, ob Frank familiär “vorbelastet” gewesen ist. “Nein, überhaupt nicht. Für meinen Vater war das Auto immer nur ein Gegenstand, um von A nach B zu kommen. Auch in der entfernteren Verwandtschaft gab es da niemanden. Um ehrlich zu sein, habe ich mir selbst darüber noch nie Gedanken gemacht”, berichtet der weitgereiste Fotograf.
“Die Leidenschaft zu klassischen Autos kam wahrscheinlich durch mein Faible für Möbeldesign, Kunst und Musik der 60er und 70er Jahre. Das Lebensgefühl, das zum Beispiel ein Johnny Cash und The Clash mit ihrer Musik transportierten, der Jazz, expressionistische Malerei mit Jackson Pollock, Jean-Michel Basquiat. Dieses krasse, ungebremste Leben, das vor allem in den USA damals vorherrschte, das hat mich wahnsinnig fasziniert.”
Früh begeisterte Kayser sich für das wilde, aufregende Lebensgefühl im Amerika der 70er Jahre. Die USA wurden für ihn zu einer Art Sehnsuchtsort.
Als Teenager der späten 70er und frühen 80er, im sehr konformen, konventionellen Deutschland, wollte Frank sich schon früh von den Fesseln der Gesellschaft lösen. “Die Jugend in den USA erlebte eine Aufbruchstimmung, entdeckte ein neues Leben mit entfesselten Denkstrukturen und freiem Lebensgefühl. Das fand ich immer großartig.”
“Die farbenfrohen Designs, das rockige, rotzige der alten Porsches von damals, das war so anders”. Ob die Autos später zum Ausdruck seines inneren Rebellen wurden? “Ja, unbedingt! Ich liebte die Formen und auch damals schon die Patina. Perfekt durchrestaurierte Autos waren noch nie meins. Ein Auto muss leben, dieses wilde und experimentelle Lebensgefühl der Zeit verkörpern.”
Seinen ersten Klassiker kaufte Frank Kayser während seines Zivildienstes, Mitte der 80er Jahre. “Ich fuhr damals zum Dienst und in einem ganz kleinen Kaff mit fünf Häusern standen zwei MGB in einem Garten unter Apfelbäumen. Es stellte sich heraus, dass der Eigentümer sie frisch aus Kalifornien importiert hatte und sie zum Verkauf standen. Lucky Me – Ich war sofort in love mit einem der Wagen und wollte das Ding einfach haben. Ich habe ihn direkt gekauft”, erzählt der zweifache Familienvater.
Gemeinsam mit einem Freund zerlegte Frank Kayser den kleinen Roadster und lackierte ihn in British Racing Green, verpasste ihm eine neue Leder-Innenausstattung und einen schönen Satz Chrom-Speichenräder. Auch am Motor legte er mutig Hand an und machte ihn zu seinem ganz individuellen Auto. “Während meine Freunde lieber ein Bierchen tranken und 3er BMW oder Golf GTI fuhren, war ich als Gin Tonic Liebhaber und MG-Fahrer schon damals ein Exot.”
Wow, waren die 80er cool!
Frank Kayser
“Heute denke ich mir oft: Wow, waren die 80er cool! Am Wochenende habe ich manchmal meine privaten Platten aufgelegt, viel experimentelles Zeug, Synthi-Sounds und die ganze englische Gitarrenmusik… das war richtig lässig!” In der ansonsten streng katholischen Gegend war Frank unangepasst, in jeder Hinsicht.
Mitte der 90er Jahre führte Franks Weg zur Fotografie. In seinem Fotostudio in einem ehemaligen Bahnhof am Rhein in Wiesbaden widmete er sich der Werbung und Produkt-Fotografie. Zu dieser Zeit kaufte er sich nach den ersten beruflichen Erfolgen seinen ersten Porsche. “Das war ein 1970er 911 Targa.”
Wir alle haben eine frühe Prägung zu den Dingen. Was dich als Kind begeistert hat, das möchtest du irgendwann, wenn du ein bisschen Geld verdient hast, selbst auch erleben und dir diese Träume erfüllen. Deshalb habe ich mir damals dieses Auto gekauft.
Frank Kayser
Dabei ging es Frank gar nicht um Status oder Fahrleistungen. “Das Design, die Farbe, die Geschichte, die mir das Auto erzählt… das ist mir alles viel wichtiger als die Leistung. Ich bin ein großer Verfechter von einfachen, gut durchdachten Lösungen. Deshalb mag ich mechanischen Armbanduhren, Mid Century Möbel, alte McIntosh Röhren-Hifi-Anlagen und viele andere Dinge, die sich durch Qualität auszeichnen und mit der Zeit immer unentbehrlicher und schöner werden… gerade eben auch diese alten Porsches.”
Erst 2006 tauchte Frank Kayser so richtig in die Welt der Automobil-Fotografie ein. Seitdem prägte er für Lamborghini, Audi, BMW, Mercedes AMG, Ducati und auch Porsche eigene Bildwelten. Seine Produktionen sind aufwendig, oft gefährlich, immer kompromisslos. Mal inszeniert er Lamborghinis auf einem Flugzeugträger, mal liegt er bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man anderthalb Meter vom Asphalt entfernt, während Superbikes mit 240 km/h vorbeischießen.
„Manchmal war der Mietwagen nach drei Tagen durch – Bremsen, Reifen, alles hinüber. Aber Hauptsache: das Bildmaterial stimmt.“ Seine Arbeiten entstehen nicht am Rechner, sondern in Bewegung – in der Geschwindigkeit, die seine Motive verdienen. Das schätzen auch seine Auftraggeber. “Ich habe bei Porsche unheimlich viele Einblicke hinter die Kulissen genießen dürfen und bin mit vielen Entscheidern befreundet. Obwohl die Firma mittlerweile ein großer Laden geworden ist, tickt Porsche immer noch anders, sehr familiär.”
Kayser ist normalerweise kein Freund vollrestaurierter Garage Queens. „Ein Auto muss gelebt haben. Ich mag diese Spuren, das Wilde. Genau wie bei Kunst, Musik oder Fotografie – alles, was echt ist, spricht mich an.“ Auch seine Fahrzeuge spiegeln diesen Ansatz. Seine 911 “Olive”, ein 1969er 911 T mit 2,7-Liter Motor, inklusive Doppelzündung, ist ein RGruppe-Auto durch und durch: laut, roh, ehrlich.
Aufregende Farben, individuelle Anpassungen und Patina – Frank Kayser bevorzugt Autos mit Seele.
„Das Ding ist nie restauriert worden, hat Erstlack und Patina ohne Ende. Aber es geht wie die Sau.“ Daneben besitzt Frank auch zwei Porsche 964 Carrera RS in Maritimblau und Sternrubin, einen 1967er 911 S in perfektem Zustand und einen unrestaurierten 73er 911 Carrera RS – allesamt Fahrzeuge mit Seele.
Im Gespräch mit Frank merkt man sehr schnell, dass das Thema RGruppe für ihn viel mehr ist als nur ein selbstverlegtes Bucht. Es ist ein ganzer Lebensabschnitt. Der Fotograf wollte ganz tief in den vermutlich exklusivsten Porsche Club der Welt eintauchen und ihn portraitieren. Der 1999 von Freeman Thomas und Cris Huergas gegründete Club wurde durch seine unkonventionelle Interpretation, wie ein luftgekühlter Porsche aussehen sollte, schnell weltberühmt.
Um bei diesem Projekt nichts dem Zufall zu überlassen, ging Frank Kayser all in. „Ich habe nach meinem ersten Kontakt mit den Jungs gemerkt: Da steckt so viel drin, das ist so deep und ehrlich. Wenn du dieses Gefühl hast, kann niemand die Story so erzählen wie du – dann musst du das Ganze selber machen. Auch wenn’s weh tut. Ich nahm einen 6 stelligen Kredit auf, flog mehrfach mit meinem Team in die USA und arbeitete 16 Monate am Stück an den Bildern und Roadmovies . Das war kein einfaches Projekt, sondern eine tiefgreifende Erfahrung. Das Familiengefühl dieser Gruppe hat mich nachhaltig geprägt. Da ist nichts Show, sondern alles echt”, resümiert der Fotograf und Filmemacher heute.
Heraus kam ein Buch, das die Porsche-Szene Kaliforniens so detailreich porträtiert, wie kein anderes. Das RGruppe Buch ist in Porsche-Kreisen zu einer Art Standardwerk geworden und ziert unzählige Coffee-Tables rund um den Globus. Die Arbeit mit und für die RGruppe hat dabei auch Frank selbst stark beeinflusst. “It’s all about the cars and the people. Let the egos behind – das hat Chris, der leider verstorbene, charismatische Gründer, immer gesagt. Und das ist auch mein Leitsatz.“
Jemand der so tief in der amerikanischen Szene steckte, wie Frank Kayser, kann aus erster Hand berichten, wie sich die Porsche-Szene Kaliforniens von der europäischen Kultur unterscheidet. “Hier herrscht viel Sammlerdenken – alle wollen Originalzustand. Ich nenne das gern Matching Numbers Society. In den USA feiern sie das deutsche Engineering, ja – aber sie leben die Autos. Während sie bei uns eher als Eventobjekt behandelt werden, leben die Amerikaner darin. Die Autos sind Teil ihres Alltags.“
Europäer polieren, Amerikaner leben
Frank Kayser
Das habe natürlich auch viel mit der Geografie und dem Wetter zu tun. “Diese Autos passen viel besser an die kalifornische West Coast, nach Arizona oder New Mexico, als nach Mitteleuropa. Die Amerikaner haben einfach mehr Platz, haben die Möglichkeit das ganze Jahr lang zu fahren. Der Winter da drüben ist wie unser deutscher Frühling oder Herbst.”
Das bedauert Frank teilweise auch selbst. “Weißt du, ich habe diese wundervollen Autos, aber ich habe auch immer viel Zeug zu transportieren. Ich brauche Licht-Equipment, Kameras, Objektive, dann muss der Hund mit oder die Kids müssen durch die Gegend gefahren werden… Das macht die einzelne Fahrt im Elfer allerdings auch jedes Mal zu etwas Besonderem.”
Genau wegen dieser selten gewordenen Auszeiten, in denen Frank Kayser seine Klassiker bewegt, hat für ihn der subjektive Sinneseindruck noch mehr an Bedeutung gewonnen. “Wenn ich in ein Auto steige und es riecht nach Benzin, Öl, das alte, teilweise muffige Material, die Sitze… das ist es einfach! Diese Eindrücke kannst du nicht künstlich erzeugen. Deshalb sehe ich auch die Zukunft des klassischen Porsches weiter positiv!”
Frank vergleicht die derzeitige Situation mit den 1980ern: “Wir wollten schon in den 80ern alles sein, außer angepasst. Deshalb haben wir unsere Jeans selbst aufgeschnitten oder etwas eingenäht. Wir wollten nicht sein wie die anderen. Und je mehr Vernunft- und Elektroautos da draußen herumfahren, desto cooler wird es wieder sein, so ein Auto zu haben. Ein Auto, was eben gelebt hat und Geschichten erzählt – mit Patina und Charme!
Es gab zwar in den letzten Jahren einen riesigen Hype und wir erleben momentan eine kleine Delle, aber solange wir Benzin für unsere Karren haben, wird auch das Thema klassischer Porsche weiterleben.
Frank Kayser
Ich brauche kein Auto, das 650 PS hat. Ich will was spüren, was sehen, was riechen. Benzin, Leder, Geschichte. Das ist wie mit meinen Bildern – wenn jemand sagt: Das habe ich so noch nie gesehen, dann habe ich’s richtig gemacht.“ Die Ergebnisse dieser Arbeit stellt Frank in seinen FineArt Ausstellungen aus und bietet exklusive Einzelstücke neuerdings auch zum Kauf an.
Natürlich möchte ich auch von Frank wissen, welcher Porsche sein absoluter Traum wäre, sofern Geld keine Rolle spielen würde? Die Antwort kommt schnell: „Ein originaler 935 oder 904!”
Doch an dieser Stelle wird Frank nochmal persönlich. „Autos sind Big-Boys-Toys, klar. Aber entscheidend sind die Menschen. Ich hab’ viele Freunde in dieser Szene – keine Blender, sondern Freaks mit Seele. Die riechst du wie ein Hund den anderen auf zehn Meter Entfernung. Und genau hier kommt wieder Cris Huergas’ Motto zur Sprache: “Let your egos behind, it’s all about the cars and the people ”. Lasst eure Egos Zuhause, redet mit den Leuten, habt eine gute Zeit, seid Mensch, Freund, fair und offen!
© Fotos: Frank Kayser
Elferspot Magazin