Richard Lindhorst leitet die Redaktion von Elferspot.com und schreibt seit Jahren über die Welt des Porsche 911, seiner Derivate und allen anderen Sportwagen aus Zuffenhausen. Fährt Porsches seit 2011 und arbeitet selbst an ihnen.
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Ein junger Motorsport-Enthusiast aus Deutschland verabredet sich mit einem ihm unbekannten Filmteam aus den Niederlanden am Großglockner. Er bringt zwei seltene und unglaublich teure Autos mit: seine eigene 1971er Porsche 911 ST Hommage und einen 2024er Porsche 911 S/T, der jemandem gehört, den er noch nie getroffen hat – alles mit dem Ziel, gemeinsam mit dem Team einen Film zu drehen. Was zunächst wie die Einleitung zu einem Kriminalfall klingt, ist tatsächlich die Geschichte von Oliver Tiedemann, Dapper Bruijn, Raoul Karadag und Sander Pieters. Es ist ihre Geschichte von einer Begegnung am Großglockner, um die Blutlinie des 911 und ihre eigene Leidenschaft für Sportwagen in einem Film festzuhalten. Es ist die Geschichte von nur 24 Stunden, in denen nach anfänglicher Panik und Skepsis am Ende alles zusammenfand.
Die doppelte Wiedergeburt einer Ikone – Olis 911 ST Hommage
Oliver Tiedemann ist 25 Jahre alt und vollkommen vom Motorsport-Virus erfasst. „Schon als Teenager war ich von Rennen fasziniert. Und je älter ich wurde, desto älter wurden auch die Autos, die ich fahren wollte. Und wenn das dein Ding ist, kommst du an Porsche nicht vorbei!“ In seiner Freizeit baute sich Oli, der in der Finanzbranche arbeitet, seine ganz eigene Vision eines 911 ST auf Basis eines 1971er Porsche 911 F-Modells – einer der letzten Karosserien von Karmann.
Oliver Tiedemann, 25 Jahre alt, baute auf Basis eines 1971er 911 F-Modells seine eigene Hommage an den Porsche 911 ST.
Seine Inspiration kam vom neuen Porsche 992 S/T, der wiederum vom originalen 911 ST der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre inspiriert war. In gewisser Weise ist es die Wiedergeburt der Wiedergeburt einer Sportwagen-Ikone. Olis ST-Tribute wurde gewissermaßen zur Blaupause für den neuen S/T – nicht nur optisch, sondern auch technisch. Der Porsche 992 S/T ist im Kern eine Hommage an dieses Auto – und umgekehrt.
Die Shore-Blue-Metallic lackierte Karosserie des F-Modells wurde mit Originalblechteilen auf die Breite des originalen 911 ST umgebaut. Sein Magnesium-Motor leistet nun 250 PS und schickt die Kraft durch das originale 911-Getriebe – den Vorläufer des 901-Getriebes, mit dem ersten Gang unten links. Innen gibt es Elfenbeinleder in Kombination mit Madras-Schottenkaro, im Stil des 911 GT3 „70 Years Porsche Australia Edition“.
911 ST-Tribute & 992 S/T – Zwei Wege, eine Linie
Ihm gegenüber steht der moderne 911 S/T: die reinste Interpretation der 911-Philosophie in zeitgemäßem Blech und Carbonfaser – leicht, kompromisslos fahrerorientiert. Keine Retro-Pose, eher eine destillierte Erinnerung daran, wofür ST einst stand: weniger Gewicht, mehr Gefühl.

Für Oli Tiedemann gibt es zahlreiche Rituale und vergleichbare Handgriffe, die sich bei beiden Autos überhaupt nicht unterscheiden. „Die Art, wie man ins Auto steigt, den Schlüssel dreht… beim neuen S/T hast du das immer noch. Du kannst ihn wirklich noch drehen! Auch die Bewegungen beim Einsteigen, die Tür mit dem Zugriemen schließen. Das Einlegen des Gangs mit dieser sehr schweren Kupplung fühlt sich ebenfalls sehr ähnlich an. Die Art, wie sich Hände und Beine im Auto bewegen, wenn du einsteigst und startest… es ist irre, wie ähnlich sich das alles noch anfühlt – trotz 50 Jahren Entwicklung dazwischen.“


„Was mich am meisten fasziniert“, sagt Oliver, „ist, dass der Klang, den diese Autos erzeugen, immer noch sehr ähnlich ist. Der Sechszylinder-Boxer hat sich nicht allzu sehr verändert. Selbst der Hubraum liegt bei diesen Autos gar nicht so weit auseinander. Aber das Sägen des Sechszylinders in beiden Autos vermittelt dir beim Fahren exakt das gleiche Gefühl. Besonders im Schubbetrieben klingen beide vergleichbar. Diese kleinen Fehlzündungen beim Abtouren haben eine sehr ähnliche Tonlage. Mit eingelegtem Gang den Berg hinunterzurollen fühlt sich an, als würden beide Flammen spucken!“ Die Blutlinie verbindet sie unverkennbar.
Ein paar Nachrichten und ein Anruf reichten, um den Funken überspringen zu lassen
Oli ist einer der Köpfe hinter einer Porsche-Community namens Pizza Pasta Porsche. Durch ein Event dieser Community kamen die Jungs von C’est Ça überhaupt erst mit ihm in Kontakt. „Wir sahen all diese jungen Besitzer mit klassischen Porsches auf dem PPP-Instagram-Account und erkannten die Chance, Kino zu machen statt nur Content“, erinnert sich Dapper Bruijn. Nach ein paar ausgetauschten DMs berichtete Oli den Jungs von seiner ganz besondere Idee: Er träumte davon, mit seinem Tribute-Car und dem neuen S/T etwas in den Alpen auf die Beine zu stellen.


„Während eines Telefonats erzählte uns Oli, dass sich die Möglichkeit ergeben hatte, seinen ST-Tribute und den neuen 992 S/T in von zwei Wochen in den Alpen für ein Shooting zu haben“, sagt Dapper. „Wir waren uns schnell einig, dass daraus ein richtiger Film werden sollte. Was uns am meisten reizte, war die völlige Freiheit. Es gab keinerlei Einschränkungen“, sagt Raoul. Die größte Herausforderung war allerdings die Zeit. Aufgrund bestehender Termine, Rennkalender und so weiter gab es nur ein vorgegebenes Zeitfenster, das dem Team auferlegt war. Also mussten sie zwei Wochen später ihre Vision innerhalb von nicht mehr als 24 Stunden auf Film bannen.
Zufälle, Rückschläge, Pannen und kleine Wunder
Dass die Geschichte am Ende überhaupt zustande kam, grenzt an ein Wunder. Denn die Gelegenheit für Oliver Tiedemann, einen neuen Porsche 911 S/T zu bekommen, ergab sich rein zufällig. Bei einem Event am Tegernsee kam der 25-Jährige mit einem älteren Herrn ins Gespräch. Der Mann erwähnte einen Freund, der einen nagelneuen Porsche 911 S/T in der gleichen Farbe wie Olis F-Modell besaß.
Ich erzählte ihm von meinem Traum, er stellte den Kontakt zu seinem Freund her, und dieser vertraute uns seinen 911 S/T für den Dreh an. Bis heute habe ich ihn nie persönlich getroffen!
Oliver Tiedemann
Wie es der Zufall wollte, fügten sich die Puzzleteile für Oli und das C’est Ça-Team zusammen. Doch ihr Glück hielt nicht lange. „Ein Freund von mir brachte den 992 auf dem Trailer, aber sein nagelneues Zugfahrzeug blieb liegen. Ein paar Tage vor dem Dreh hatte ein anderer Freund einen schweren Unfall mit seinem 964 und überschlug sich mehrfach. Zum Glück blieb er unverletzt.“


„Immer wenn es kritisch wurde, öffnete sich die nächste Tür“
Erstes Licht. Die Gipfel glühen rosa, während das Glocknertal noch still ist. Die Crew lädt Kisten, Gurte und ein Kamerarig aus ihren Autos. Oliver Tiedemann trifft Regisseur Dapper Bruijn, Produzent Raoul Karadag und Director of Photography Sander Pieters hier zum ersten Mal persönlich. Bis dahin kannten sie sich nur über Instagram. Jetzt standen sie sich gegenüber. Aus einer losen DM wurde eine Mission: Olis 1971er 911 ST-Hommage und einen neuen 992 S/T am Großglockner zusammenzubringen – und die Geschichte dessen zu erzählen, was sie verbindet.
Ob der Dreh überhaupt stattfinden könnte, war bis zum letzten Moment unklar. Der Land Rover, den Oli als Zugfahrzeug nutzen wollte und der auch als Kamerawagen gedacht war, fiel aus. Nach unzähligen Telefonaten und nun in einem Mercedes Vito erreichte Oli schließlich den Berg. Dadurch verlor das Team weitere kostbare Stunden. Doch Sander bringt es auf den Punkt: „Es war, als würde das Projekt geprüft. Aber jedes Mal, wenn es kritisch wurde, öffnete sich die nächste Tür.“
Ein Rennen gegen die Zeit – nur 24 Stunden
Wegen all der Rückschläge blieben ihnen nur 24 Stunden, um alles einzufangen. Am Nachmittag lief alles auf Anschlag. Das Rig hing am Vito, die Funkkette stand: Von vorn meldete der Scout „frei“. Das Kamerafahrzeug in der Mitte, die zwei 911er dahinter. Wenn die Kehre frei war, wurde gefahren – kurze, präzise Takes, dann wieder warten. Die glühenden Bremsscheiben des Vito zeugten von der Belastung.




Der Moment, der bleibt – Kino, nicht nur Content
Für das Team ging es nie nur um einfache Aufnahmen. Ihr Anspruch war filmisch. „Wir wollen Kino machen, nicht nur Content“, betont Dapper. Einmal plante Sander einen riskanten Dreispur-Shot: Er filmte aus der Mittelspur, während beide Porsches gleichzeitig ins Bild fuhren – von hinten auf ihn zu. Beide Autos waren weniger als einen Meter voneinander entfernt. „Das braucht Nerven, Timing und Glück“, sagt Dapper. Sie schafften die Aufnahme.




Als die Sonne unterging, ließ der Druck für ein paar Minuten nach. „Da war dieser Abschnitt mit zwei Abzweigungen“, erinnert sich Raoul. „Zum ersten Mal haben wir wirklich hingeschaut – weg von den Monitoren, raus aus dem Tunnel. In diesem Moment wurde uns klar, was in nur 24 Stunden passiert war: die älteste und die neueste Generation des 911, ein Team, das sich gerade erst gefunden hatte…“
5 Uhr morgens, zwei Schlüssel und „eine Stunde für mich“
Am nächsten Morgen war Oliver als Erster wach. Der Himmel glühte, der Pass war noch leer. In seiner Hand zwei Schlüssel: der schlichte Schlüssel des 1971er F-Modells und der funkelnde Schlüssel des 992 S/T. „Ich hatte eine Stunde für mich“, sagt er, „und ich musste mich entscheiden.“ Er nahm den alten. Nicht aus Dogma oder Protest – einfach eine ehrliche Antwort aus dem Bauch.
Für eine der schönsten Fahrten seines Lebens, morgens um 5 Uhr, allein am Großglockner entschied sich Oliver Tiedemann bewusst für das F-Modell statt des neuen 911 S/T.
Vielleicht war es die Komfortzone des Vertrauten? Oder vielleicht auch das genaue Gegenteil? Denn das Fahren im F-Modell verlangt dem Fahrer deutlich mehr ab. Auf dem Rückweg fragte sich Oli, wie er überhaupt hier gelandet war. „Mit 21 bin ich das erste Mal Porsche gefahren – meinen eigenen. Drei Jahre später stehe ich hier und wähle zwischen zwei STs am Großglockner. Das ist surreal. Ich bin unglaublich dankbar dafür!“
Mit 21 bin ich das erste Mal Porsche gefahren – meinen eigenen. Drei Jahre später stehe ich hier und wähle zwischen zwei STs am Großglockner. Das ist surreal. Ich bin unglaublich dankbar dafür!
Oliver Tiedemann
Monatelange Arbeit führte zum Kurzfilm „Die Geschichte des Erbes“
Das Kreativteam arbeitete anschließend monatelang an der Entwicklung des Films. Gemeinsam mit Oli erarbeiteten sie das Skript. Das Ergebnis überzeugte den Schauspieler Dietrich Hollinderbäumer – bekannt als die deutsche Stimme von Adam in der Netflix-Serie Dark – das Voice-over zu sprechen. Er sagte sofort zu – eine echte Auszeichnung.
Die Geschichte des Erbes zeigt, was Porsche ausmacht: Tradition und die Fähigkeit, sie zeitgemäß zu pflegen, das Bewährte zu bewahren, ohne Innovation zu vernachlässigen. Vor allem aber zeigt es, welche Qualität man erreichen kann, wenn genug Leidenschaft in ein Videoprojekt fließt.
Und wie geht es weiter?
„Am liebsten würde ich zurück zum Glockner“, sagt Raoul ohne zu zögern. Nicht, um dasselbe noch einmal zu drehen, sondern um die Atmosphäre zu genießen, die beim ersten Mal im Adrenalinrausch zu kurz kam. Dapper spricht davon, „noch mehr Porsches zu zeigen und all ihre unterschiedlichen Geschichten zu erzählen. Was diesen Film so besonders macht und warum er dem C’est Ça-Standard entspricht, ist die Tatsache, dass diese Autos bereits eine wunderschöne Geschichte hatten und wir nur die Ehre hatten, sie zu übersetzen. Wir suchen keine Projekte, um ein Auto oder eine Person größer erscheinen zu lassen, als sie ist. Es geht darum, eine tiefgehende, majestätische Geschichte zu erzählen, über die wir das Privileg haben, einen Film zu machen.“




Unser aufrichtiger Dank gilt M. S. und V. M. – für Vertrauen, Engagement und Großzügigkeit, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.
Sander betont, dass man nur erzählt, was bereits existiert. Oliver sieht es philosophischer: „Träume sind Ziele ohne Plan. Im Moment fühlt es sich an, als wären viele davon in Reichweite.“ Dann lächelt er: „Am Ende will ich einfach denselben Puls – egal, ob ich einen alten ST abstelle oder einen neuen starte.“


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