Der Porsche 911 Turbo 3.6 der Baureihe 964 – Synonym für Leidenschaft, Kraft und Eleganz. Als letzter Porsche 911 Turbo bietet er die hohen Kotflügel, die gern auch mal als Kanonenrohre bezeichnet werden. Er zählt zu den begehrtesten Porsche 911 Modellen überhaupt. Deshalb ist er sogar der teuerste Turbo-Elfer. Wann immer man einem begegnet, stellt sich schnell Ehrfurcht ein. Schließlich ist das ein alles andere als alltäglicher Anblick. Im badischen Autohaus Stefan, der Basis der GS Manufaktur, steht nicht nur einer, sondern direkt zwei Porsche 911 Turbo 3.6. Grund genug für uns, diese beiden Schätzchen mal genauer unter die Lupe zu nehmen…
Doch der Reihe nach. Warum ist der Porsche 964 Turbo 3.6 überhaupt so besonders? Zunächst natürlich aufgrund der Stückzahlen. Den Porsche 964 Turbo gab es nämlich mit zwei unterschiedlichen Motoren. 1991 und 1992 setzte Porsche den 3.3 Liter Motor vom Typ M30 mit 320 PS ein. Er entsprach weitgehend dem Antrieb des Vorgängers Porsche 930. 3.660 Stück wurden in Stuttgart produziert. Vom 360 PS starken Turbo 3.6 mit M64/50-Motor entstanden bis Ende 1993 hingegen nur 1.437 Exemplare. Damit ist der 964 Turbo 3.6 sogar seltener als der 911 Carrera RS 2.7, der es auf 1.580 Stück brachte.
Äußerlich war der generalüberholte Porsche 964 Turbo direkt durch die dreiteiligen Speedline-Räder im 18-Zoll-Format zu erkennen.
Äußerlich war der generalüberholte Porsche 964 Turbo direkt durch die dreiteiligen Speedline-Räder im 18-Zoll-Format zu erkennen. Diese betörend schönen Felgen allein kosten heute schon ein Vermögen. Ein weiterer wichtiger Teil der Legendenbildung geht auf einen Hollywood-Film des Jahres 1995 zurück. Im Blockbuster Bad Boys fuhr Will Smith einen schwarzen Porsche 964 Turbo 3.6. Dieses Auto aus dem Privatbesitz von Regisseur Michael Bay avancierte zum heimlichen Star und zierte auf Postern zahllose Kinderzimmerwände in den 90ern.
Philipp Göller, mit der GS Manufaktur bekannt für Backdates der Extraklasse auf 964-Basis, hat zwei dieser extrem seltenen 911 Turbo im Angebot. Er lud uns ein, die emotionale Reise durch die Geschichten zweier einzigartiger Fahrzeuge zu rekonstruieren. Vor dem Autohaus Stefan in Baden-Baden warteten also zwei der seltensten Porsche 911 überhaupt auf uns.
Diese Präsenz muss erst einmal sacken. Man fühlt sich beim Anblick der beiden Schönheiten schon wie in eine andere Zeit zurückversetzt. Sicher, ein Porsche 964 Turbo 3.6 war auch Mitte der 90er gewiss kein alltäglicher Anblick im Straßenverkehr. Doch die Szenerie wähnt uns wie bei einer Fahrzeugpräsentation von damals. So gut sind diese beiden Exemplare. Zumal mit fast identischer Laufleistung, aber doch gegensätzlichem Erscheinungsbild.
Ist es nicht verrückt, welche Assoziation bestimmte Bilder hervorrufen können? Dieser in der Paint-to-Sample Farbe Satinschwarz lackierte Porsche 964 Turbo 3.6 kann nämlich allein durch seine optische Erscheinung Ohrwürmer erzeugen. Und das, ohne dass man überhaupt den Schlüssel umdreht. Zur einfacheren Unterscheidung des Duetts nennen wir ihn doch einfach Bad Boy.
Natürlich wäre es vermessen, einem Porsche 964 Turbo 3.6 äußerliches Understatement zu attestieren. Wie so Vieles im Leben ist es allerdings auch hier eine Frage der Perspektive. Denn neben dem satinschwarzen PTS-Turbo sieht der polarsilberne zweite Turbo 3.6 im Bunde schon ein gutes Stück zurückhaltender aus. Dafür setzt er mit seinem in Sonder-Vollleder Matadorrot ausstaffiertem Innenraum ein selbstbewusstes Statement.
Die Unterschiede beider Fahrzeuge finden sich im Detail. Während die vorderen Blinkergläser des silbernen Turbo in gelb daherkommen, sind sie beim schwarzen Turbo weiß. Außerdem hat der Bad Boy Seitenblinker im vorderen Kotflügel und eine dritte Bremsleuchte am oberen Ende der Rückscheibe. Ansonsten bleibt nur die Frage: Bad Boy oder Good Cop? Für welchen soll man sich da bloß entscheiden?
Der polarsilberne Porsche 964 Turbo 3.6 (Farbcode A8) hat mit insgesamt 69.445 Meilen, also knapp unter 112.000 Kilometern einige Geschichten zu erzählen. Und diese sind sehr gut dokumentiert. Allein der eingerahmte, originale „window sticker“ ist ein charmantes Detail der vollständigen Fahrzeugdokumentation. In den USA sind diese Dokumente vorgeschrieben und enthalten alle Ausstattungsdetails, nebst der MSRP genannten Preisempfehlung des Herstellers. Demnach wurde der am 09.07.1993 produzierte amerikanische Zeitzeuge im kalifornischen San Diego erstausgeliefert.
Zum Basispreis von 99.000 US-Dollar kamen 4.000 Dollar für das Interieur im matadorroten Spezialleder, 224 Dollar für Nabenabdeckungen mit Porschewappen, 106 Dollar für eingeprägte Porschewappen in den Kopfstützen, 299 Dollar für polierte 18 Zoll Räder und 1.245 Dollar für den 6-fach-CD-Wechsler. Als kostenfreie Sonderausstattung sind der Lack in Polarsilber metallic, Modellschriftzugentfall und das elektrische Schiebedach vermerkt. Inklusive Gas Guzzler Tax und Gebühren lag der Neupreis dieses Porsche 964 Turbo 3.6 bei 107.699 US-Dollar. Aus heutiger Sicht ein Schnäppchen, schließlich werden 964 Turbo 3.6 heute für ein Vielfaches dessen gehandelt.
Während seines gesamten USA-Aufenthalts war unser Good Cop im Sonnenstaat Kalifornien registriert und wurde anfangs auch fleißig gefahren. Das belegen die Einträge im Serviceheft. Einmal waren es 12.000 Meilen in etwas über einem Jahr. Was für Roadtrips die vier amerikanischen Besitzer wohl unter die Räder nahmen? Abendrunden am Mulholland Drive? Ausgiebige Erkundungen des Angeles National Forest? Eine schöne Vorstellung, im 360 PS starken Überelfer seiner Zeit der kalifornischen Abendsonne entgegenzufahren…
Trotz seiner Laufleistung verfügt der „Amerikaner“ über Originalmotor und -getriebe. Damit verdient er sich das in Sammlerkreisen wichtige Prädikat der Matching Numbers. Die kalifornischen Nummernschilder und der zugehörige Carfax-Auszug vervollständigen die amerikanische Geschichte der ersten Lebenshälfte des Good Cops. Im August 2010 wurde der Porsche 964 Turbo 3.6 bei Meilenstand 67.405 nach Deutschland reimportiert.
Wie sich anhand der Laufleistung ermitteln lässt, wurde dieser schöne Turbo 3.6 seit seiner Rückkehr wenig bewegt. Deshalb unterzog Philipp Göller den Wagen einer umfangreichen Instandsetzung. Ein großer Service, neuer Saugschlauch, vollständig überholte Bremsen mit neu lackierten Sätteln und Stahlflexleitungen, neue Querlenker und sogar restaurierte Lautsprechergitter sind nur einige der über 70 Positionen des Arbeitsnachweises. Durch eine großflächige Behandlung mit Trockeneis zeigt sich das 1993er Topmodell sogar am Unterboden von seiner besten Seite.
Der Porsche Exclusive Innenraum mit Sonderleder ist ebenso in Würde gealtert. Die Kombination aus matadorrotem Leder (Farbcode MD), roten Teppichen, schwarzem Lenkrad und schwarzen Schalttafeln passt zum Zeitgeist. Die leichten Gebrauchsspuren sind Alter und Laufleistung völlig angemessen. Sie zeugen davon, dass es sich hier um ein Auto handelt, das seinen Vorbesitzern echten Fahrspaß bereitete und gut gepflegt wurde.
„Der Gesamtzustand dieses Autos ist ausgesprochen interessant. Von Pflegezustand über Technik bis zum Lack ist er, gerade für ein amerikanisches Fahrzeug, in sehr gutem Zustand. Sogar sämtliche Siegel sind noch vorhanden“, fasst Philipp Göller die Vorzüge des silbernen Porsche 964 Turbo 3.6 zusammen. Die protokollierte Lackmessung kann zwar partielle US-typische Klarlack-Nachlackierungen nicht ausschließen, Anhaltspunkte für Unfallreparaturen oder gar Spachtelarbeiten gibt es jedoch nicht.
Von Pflegezustand über Technik bis zum Lack ist er, gerade für ein amerikanisches Fahrzeug, in sehr gutem Zustand. Sogar sämtliche Siegel sind noch vorhanden
Philipp Göller, GS Manufaktur
Kurzum: Dieser Porsche 964 Turbo 3.6 ist grundsolide. Die Konstellation eines solchen Fahrzeugs mit vollständig instand gesetzter Technik und so einem schönen Zustand macht ihn sicherlich zu einem heißen Anwärter auf den Titel „Perfekter Driver“! Denn nach der fachmännischen Instandsetzung im mittleren fünfstelligen Preisbereich steht einer großen Jungfernfahrt nichts mehr im Wege.
Natürlich ist es ein Klischee. Doch der Präsenz eines schwarzen Porsche 964 Turbo 3.6 kann sich einfach niemand entziehen. Und er ist eben auch ein Stück Filmgeschichte, das bei sehr vielen Menschen die immer gleichen Assoziationen zum Kultfilm mit Will Smith und Martin Lawrence auslöst. Das ist bei diesem Paint-to-Sample (L999) Satinschwarz lackierten Porsche 964 Turbo 3.6 aus dem Portfolio der GS Manufaktur nicht anders.
Ihn darauf zu reduzieren, würde ihm allerdings nicht gerecht werden. Denn neben der L999 PTS-Farbe verfügt er über ein wunderbares, carreragraues Interieur mit Farbcode MB. Wie auch bei seinem silbernen Bruder setzt das Interieur damit einen willkommenen Kontrast zur Außenfarbe. Allerdings ist der Bad Boy mit Sitzheizung und einigen Ausstattungscodes aus der Exclusive Abteilung noch etwas umfangreicher ausgestattet als der Good Cop. Das alte Blaupunkt-Radio wurde mittlerweile durch das Porsche Classic Communication Management System ersetzt. Seine Historie ist ebenfalls vollständig. Die Geschichte dieses Turbos lässt sich sozusagen bis zur letzten Schraube nachvollziehen.
Nachdem sein aktueller Besitzer den Turbo 3.6 vor 15 Jahren aus Österreich nach Deutschland reimportierte, ließ er keinen Stein auf dem anderen. Der satinschwarze Traum erfuhr eine Rundum-Verjüngungskur. Was mit einer Neuabdichtung des Motors begann, endete fast in einer Komplettrevision des Fahrzeugs. Selbst der markante PTS-Anstrich wurde 2009 vollständig erneuert. Seine Laufleistung von 115.451 Kilometern sieht man ihm deshalb kaum an.
Trotz seiner Neulackierung ist der satinschwarze Porsche 964 Turbo 3.6 wegen seiner lückenlosen Historie und der großen Anzahl Neuteile ebenso interessant.
Philipp Göller, GS Manufaktur
Das Ziel der Arbeiten war damals, den Wagen so nah wie möglich an den Auslieferungszustand zu bringen. Stehbolzen, Turbolader, sämtliche Motordichtungen, sowie neue Tür- und Fenstergummis – die Liste der Verbesserungen ist umfangreich und natürlich mit etlichen Belegen in einem randvollen Leitz-Ordner gut dokumentiert. Auch der Porsche 964 Turbo 3.6 im Bad Boys Stil ist somit gut vorbereitet für neue Abenteuer.
Diese Fahrzeuggeneration sollte auch heute noch mit Respekt behandelt werden. Starke, 964-typische Lastwechselreaktionen des Fahrwerks in Kombination mit reichlich Turboloch, bevor noch mehr Turboschub über die Hinterräder herfällt, erfordern einen wachen Geist am Steuer. In Anbetracht der ansonsten vorzüglichen Manieren und der keinesfalls aufdringlichen Geräuschkulisse ist der Turbo 3.6 folglich Dr. Jekyll und Mr. Hyde in Personalunion.
In gewisser Weise nimmt der 964 damit den Weg des Porsche 911 Turbo der nächsten drei Jahrzehnte vorweg. Ein 911 Turbo war und ist seitdem das eine Auto, das alles kann. Er sieht nicht komplett verrückt aus, kann aber durch seine schiere Gewalt die gesamte Liga der Supersportwagen alt aussehen lassen. Und trotzdem macht er mit einem relativ komfortablen Fahrwerk und angenehmem Geräuschniveau auch im Alltag eine exzellente Figur. Verglichen mit dem Nachfolger der Generation 993 ist er allerdings subjektiv aufregender. Das liegt nicht daran, dass er besser ist, sondern dass es mehr zu tun gibt, um Mr. Hyde unter Kontrolle zu halten.
Eine Entscheidung zu treffen, fällt bei dieser Auswahl schwer. Beide Fahrzeuge sind in ihrer Konfiguration und Herkunft sicher sehr unterschiedlich. Und doch eint sie die Faszination, die nur ein Porsche wecken kann. Diese Kombination aus sehr kompakten Abmessungen, kombiniert mit für damalige Verhältnisse unbändiger, aus heutiger Sicht noch immer sehr sportlicher Performance begeistert auch nach drei Jahrzehnten wie am ersten Tag. Und das immer im Wissen, mit dem Porsche 964 Turbo 3.6 den seltensten aller Turboelfer zu fahren.
Eigentlich ist es schon ein bisschen schade, dass das Pärchen aus unterschiedlichem Hause vermutlich nicht zusammen bleiben wird. Denn wie Philipp Göller schon sagt, sieht man einen Turbo 3.6 nicht jeden Tag, schon gar nicht zwei auf einmal. Aber wer weiß, vielleicht finden beide, entgegen jeder Wahrscheinlichkeit, ja den Weg in die gleiche Garage.
© Autohaus Stefan und @domzeroto
Elferspot Magazin