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Fahrrad, Rollstuhl, 911 GT3 – Andi Wittmann

19.08.2023 Von Richard Lindhorst
Fahrrad, Rollstuhl, 911 GT3 – Andi Wittmann

Es hört sich an, wie die Geschichte eines Hollywoodfilms: Ein junger, weltweit erfolgreicher Mountainbiker namens Andi Wittmann hat einen schweren Unfall. Er fährt im Training vor einer Show zu schnell in einen Sprung, den er schon tausende Male gemacht hat. Beim Aufprall bricht er sich beide Füße, zerstört sich seine Gelenke. Andi Wittmann sitzt vier Monate im Rollstuhl. Ob er je wieder laufen kann, ist ungewiss. Doch Andi kämpft sich zurück, fährt einige Zeit später sogar wieder Fahrrad. Heute baut er Fahrradinfrastruktur und fährt gekonnt im Porsche 911 GT3 über Rennstrecken, Berge, Schnee und Eis.

Der 1987 im bayrischen Rosenheim geborene Sportler sprüht heute vor Enthusiasmus, Lebensfreude und vor allem Leidenschaft für schnelle Autos. Andi Wittmann spricht darüber, wieso ihn Autofahren am Limit so motiviert und erklärt, wie er seine Frau dazu überredet hat, ihren Segen zum Kauf eines Porsche 911 GT3 zu geben, obwohl er damit wieder ein neues, gefährliches Hobby auslebt.

Herzlich willkommen im Elferspot Porsche Talk, Andi Wittmann! Erzähl mal, was du zur Zeit machst und versuch doch bitte, unseren Lesern zu beschreiben, wie Andi Wittmann so tickt.

Hi Richard, vielen Dank für die Einladung! Ich war von 2005 bis 2015 Freeride-Mountainbike-Profi. Hohe Sprünge, Tricks und steile Abfahrten waren da an der Tagesordnung. Bis zu meinem schweren Trainingsunfall 2015. Danach saß ich vier Monate im Rollstuhl und musste mich komplett ins Leben zurück kämpfen, inklusive laufen lernen. Mittlerweile spielt sich ein Großteil meines Lebens wieder auf dem Fahrrad ab. Ich arbeite als Markenbotschafter für verschiedene Hersteller und kümmere mich zudem mit meiner Firma Trailements um die nachhaltige Schaffung von Fahrradinfrastruktur.

Ich würde mich als motiviert charakterisieren. Stillstand geht für mich gar nicht und ich habe immer den Antrieb, was zu machen. Damit eckt man hin und wieder auch an, weil man irgendwo auch ein Getriebener ist. Aber ich komme nun mal aus dem Profisport und das steckt in mir drin. Das macht mich auch als Mensch aus. Trotzdem bin ich nicht ultra competitive.

Die größte Faszination für mich war immer, das Sportgerät maximal zu kontrollieren. Es hat mir am meisten gegeben, wenn ich der Chef über das Gerät gewesen bin. Auch die Entwicklung des Fahrradsports, zum Beispiel durch Video- und Fotoprojekte war immer ganz oben auf der Agenda. Ich wollte was herzeigen, was den Sport weiterbringt.

Welche Rolle spielten Autos in deinem Leben? Benzin im Blut hattest du schon immer, oder?

Vier Räder waren für mich immer Faszination. Schon meinem Vater waren Autos wichtig, er war beruflich im Außendienst. Er fuhr lange Mazda und schaute später auch mal auf Audi. Da dachte ich mir „Boah, wenn wir mal einen Audi fahren, das wär schon was“. Am Ende kaufte mein Papa dann doch einen Lexus, statt des Audis, weil er eben günstiger und vernünftiger war. Dabei dachte ich mir nur, dass mein Papa doch jetzt endlich mal eine geile Karre kaufen sollte. (lacht)

Andi Wittmann coaching

Meine beiden Brüder sind damals schon immer im Winter rumgedriftet, sobald der erste Schnee lag. Es hat mich von Beginn an fasziniert, die Bewegung im Grenzbereich zu erfahren. Deshalb musste mein erstes eigenes Auto, ein Honda Civic, natürlich auch eine ganze Menge wilde Sachen aushalten. Irgendwann habe ich dann nach einem kurzen Intermezzo mit einem Subaru WRX einen Mitsubishi Lancer Evo gekauft.

Ist es beim winterlichen Driften auf verschneiten Feldwegen geblieben?

Ein Freund machte damals Winterfahrtrainings auf der Eisbahn. Ich machte auch einmal mit und er bot mir an, öfters bei ihm zu fahren. In diesem Winter bin ich knapp 5.000 Kilometer nur auf der Eisbahn gefahren. Außerdem habe ich großartige Menschen dort kennengelernt. Der italienische Rallyfahrer Gigi Galli zum Beispiel hat mir da viel Fahrtechnik beigebracht – Linksbremsen, richtig Lenken… da habe ich Blut geleckt!

Schnell musste es Andi Wittmann schon immer gehen. In der österreichischen Rally-Meisterschaft sammelte er Rennsporterfahrung.

Und es war auch zeitlich ideal. Im Winter war für uns Mountainbiker eh Off-Season. Das war für mich der Start zum ambitionierten Fahren. Ich bin in dieser Zeit zum Beispiel Bergrennen gefahren und habe auch mal was gewonnen. Ich hätte durchaus auch etwas mehr Motorsport machen können, aber ein Auto haben und es richtig bewegen sind ja auch zwei paar Schuhe…

So richtig ernst auf vier Rädern wurde es erst nach deinem schweren Mountainbike-Unfall, bei dem du dir beide Beine gebrochen hattest. Was war dein Antrieb?

Nach dem Unfall saß ich vier Monate im Rollstuhl. Es stand auf der Kippe, ob ich je wieder laufen könnte. So war klar, dass die Bike-Karriere allein wegen der Risiken nicht mehr möglich ist. Ich kam dann zum eBike und habe den Sport von einer anderen Richtung aus neu kennengelernt. Das ist ein viel normalerer Zugang zum Thema mit regulären Radtouren, statt Weltrekordsprüngen. Dadurch habe ich mich zurückgekämpft. 

Vier lange Monate saß Andi Wittmann nach einem schweren Unfall bei einem Probesprung im Rollstuhl.

Aber mir als Sportler hat die Challenge gefehlt. Du kommst aus dem Profisport, einem Leben der Superlative. Du reist von einem Event zum nächsten, bist super bekannt, gerade in der kleinen Szene. Fährst Contests, hast Erfolge, gibst Interviews, machst Fotoshootings, kommst von einem emotionalen Wahnsinn in den nächsten. Wenn das weg ist, fehlt dir halt was. 

Ich hatte jetzt nicht die Gefahr, dass ich da in ein riesiges Loch falle, aber die Challenge mit dem Auto hat mich gekickt und herausgefordert. Trotz meiner gehandicapten Füße konnte ich da wieder schnell sein. Ich bin dann in der österreichischen Rally Meisterschaft einige Läufe mitgefahren. Das hat riesig Spaß gemacht und es hat mir sehr viel gegeben, das Auto im Grenzbereich zu bewegen. Um es richtig ernsthaft zu betreiben, fehlte aber leider etwas Geld.

Warum bist du dann von Eis und Schotter im Evo zu Porsche auf Asphalt gewechselt?

Schotter heißt immer auch extremer Verschleiß. Du musst wegen der vielen Steinschläge regelmäßig viel nachlackieren und hast irre hohe Unterhaltskosten. Und zufällig hatte ich einen einschneidenden Porsche-Moment… Mit einem befreundeten, sehr renommierten Mountainbike-Fotografen hatte ich besprochen, dass wir mal etwas mit den Autoherstellern machen wollten. Vielleicht suchte ja einer jemanden, der gute Fotogeschichten in den Dolomiten machen kann, schließlich kannten wir uns da gut aus…

Also fragte ich jemanden aus meinem Bekanntenkreis, ob er uns mal ein Auto leihen könnte. Ich wusste, dass er ein paar Porsches hat. Seine Antwort: „Der 918 geht nicht, aber den 991 GT3 kannst schon haben“. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. So hatten wir also einen weißen Porsche 991.1 GT3 mit PDK für 1.000 Kilometer Dolomiten zur Verfügung. Wir waren Anfang Herbst dort, die Straßen fast komplett für uns. Ich war sofort Porsche-versaut.

Da hab‘ ich mir gesagt, dass ich es im Leben irgendwann mal schaffen muss, mir so ein Auto hinzustellen. Es ist emotional und von der Performance so irre, dass ich sowas haben musste. 

Andi Wittmann

Es war brutal. Sowas hatte ich noch nie erlebt. Ich bin vorher Allradsportler gefahren und dann sitzt du in diesem heckgetriebenen Auto mit Saugmotor und hast auf Asphalt eine so unfassbare Performance. Das war ein ganz anderes Fahrzeug, was ich so schlicht nicht kannte. Das war alles für mich neu. Grödnerjoch gerade neu asphaltiert und wir sind in Affentempo da rauf. Es wurde so schnell, dass es dem Fotograf schon schlecht wurde.

Welcher wurde dann dein erster Porsche?

Das PDK und der Sound des Motors hatten mich komplett abgeholt und sowas wollte ich haben. Kurz vor meinem Unfall konnte ich mir den Traum vom ersten Porsche erfüllen. Es war ein Porsche 997 Carrera GTS. Der Markt war gerade für Käufer sehr günstig. Nach meinem Unfall hatte ich mir dann Behindertenfahrhilfen eingebaut und bin eigentlich nur damit gefahren. Es war schließlich mein einziges Auto mit Automatik.

Andis erster GT-Porsche war ein Cayman GT4.

Den GTS hatte ich für etwa ein Jahr. Danach habe ich ihn gegen einen anderen 997 Carrera GTS mit Sperrdifferenzial getauscht. Ein weiteres Jahr später kam mit einem Porsche Cayman GT4 mein erster „richtiger“ GT-Porsche. Das war schon eine coole Zeit, seinen Sohn im Maxi-Cosi in den Porsche 918 Schalensitzen mitzunehmen. Aber es war nur von kurzer Dauer. Ein Jahr später kam unser Hausbau und alles musste weg. Es dauerte dann ein paar Jahre, aber 2022 war es so weit. Da habe ich mit dem Porsche 992 GT3 tatsächlich meinen ersten GT3 bekommen.

Deine Frau Gela Allmann hat sich auch nach einem sehr schweren Unfall wieder ins Leben kämpfen müssen. Was sagt sie zu deiner neuen, wieder nicht ganz ungefährlichen Leidenschaft?

Gela sagt nichts dazu, um ehrlich zu sein. Sie findet nichts an Autos. Deshalb war der GT3 auch sehr schwierig zu argumentieren. Ich bin dann ein bisschen psychologisch vorgegangen und habe ihr gesagt, dass ich so ein Auto haben will. Sie fand es zunächst total blöd. Dann hab ich ein Foto von genau „meinem“ Auto als Bild in einem digitalen Bilderrahmen an die Wand geworfen. Gelas Frage, ob wir nicht lieber ein Familienfoto oder sowas zeigen wollen, hab ich verneint, weil das Auto ja so schön ist. Das hat sie irgendwann akzeptiert.

Wenn deine Partnerin dein Hobby verstehen soll, dann lass sie selbst fahren, statt mitfahren!

Andi Wittmann

Ein halbes Jahr später hatte ich einen in Aussicht, ein Werksfahrzeug. So konnte ich eine Weile überlegen, ob ich wirklich zusagen will. Gela hat sich mit der Zeit wohl damit abgefunden. Es kam der Tag X, als der Verkäufer mich anrief und sagte, ich könnte den GT3 jetzt wirklich haben. Gelas Reaktion war dann irgendwann „Ja, du willst ihn doch eh, dann nimm ihn halt“. Sie war dann bei der Abholung in Zuffenhausen dabei. Als sie dann mal selbst mit dem 992 GT3 gefahren ist, fand sie es sogar ganz cool.

Gäbe es für dich noch einen anderen Traum auf vier Rädern, wenn Geld keine Rolle spielen würde?

Puh, vermutlich würde ich dann Porsche 911 GT3 Cup fahren. Am liebsten auf der Nordschleife oder vielleicht in Rijeka. Aber eigentlich ist der 992 GT3 schon perfekt. Du kannst damit einfach alles machen. Ich bin vermutlich einer der wenigen, die dieses Auto für das nutzen, wofür es gebaut wurde. Ich gehe im Sommer driften und auf die Nordschleife, im Winter auf die Eisbahn…

Nächsten Winter sollen auch mal Spikereifen drauf, damit ich mal richtig schnell auf Eis fahren kann. Aber auch die gemütliche Passrunde in den Dolomiten geht damit wunderbar. Ich genieße die Performance und Emotionalität, kombiniert mit der Alltagstauglichkeit. Vielleicht pack‘ ich auch mal einen Rennradhalter ‚drauf.

„Ich habe das Auto nicht zum Herzeigen, sondern für die Challenge gegen mich selbst“

Meine Frau sagt immer so schön, dass du dich im GT3 eigentlich ja nicht blicken lassen kannst, weil sie ihn prollig findet. Aber ich habe das Auto nicht zum Herzeigen, sondern für die Challenge gegen mich selbst. Es geht mir drum, das Auto geil zu fahren. Mein Anspruch ist immer, das Auto kontrollieren und richtig fahren zu können. Autofahren ist so komplex, dass du nie sagst, du kannst es perfekt. Es hat so viele Facetten und es gibt so viele Parameter. Darin immer besser zu werden, ist einfach ein großartiger Ansporn.

Tags fahr ich zum Beispiel nur sehr selten mit dem GT3, sondern viel lieber am Abend wenn es regnet. Abends ist auf meinem Hausberg nichts los. Da bin ich allein im Auto auf der Straße. Am besten eben, wenn keiner da ist. Man muss das keinem zeigen, auch wenn das bestimmt viele Besitzer exklusiver Autos anders sehen.

Mittlerweile gibst du dein Wissen und deine Erfahrung hinterm Steuer auch an andere weiter. Welche Motivation steckt dahinter?

Weißt du, jeder kann sich heutzutage einen Supersportwagen mit irrer Performance kaufen. Selbst ein sportlicher Kompaktwagen kann fast 300 km/h schnell fahren. Diese Autos nehmen dir mit den Assistenzsystemen extrem viel ab und vermitteln große Sicherheit. Oft überschätzen Autofahrer ihre Fähigkeiten deshalb. Aber irgendwann kommt der Grenzbereich dann eben doch.

Besonders bei Supersportwagen kann diese Sicherheit trügerisch sein. Zumal die wenigsten Leute vor dem Kauf eines solchen Autos schon mal an der Fahrsicherheit im Grenzbereich gearbeitet haben. Nur wenige haben überhaupt den Biss, richtig Fahren zu lernen. Und wir müssen auch nicht alle Rennfahrer sein. Aber jeder, der so ein Geschoss bewegt, sollte ein Mindestmaß an Fahrzeugbeherrschung haben. Deshalb gebe ich gern als selbstständiger Instruktor und Fahrtrainer mein Wissen weiter. Ich weiß (leider) sehr gut, was passiert, wenn man sich sicher fühlt und leichtsinnig wird.

Genau deshalb möchte ich den Leuten zeigen, wie sich ein Auto verhält, wenn selbst die Sicherheitssysteme nicht mehr helfen können, oder ganz aus sind. Viele Sportwagen werden heute auf Semislicks ausgeliefert und die funktionieren bei plötzlich einsetzendem Regen überhaupt nicht mehr. Um dann richtig zu handeln, muss man auch mal gespürt haben, wie man einen Drift halten oder abfangen kann. Einfach um Routine in die Abläufe zu bekommen. Und neben all dem Spaß beim Driften sollen die Teilnehmer am Ende bessere Autofahrer werden. Das ist mein Ziel.

Zuletzt noch die Frage: Was wäre dein wichtigster Rat an angehende Sportwagenfahrer?

Das Wichtigste ist immer, dass das was du machst, kontrolliert ist. Wenn du einen Dreher kontrolliert abfängst, hast du auch schon viel gewonnen. 

Was Andi Wittmann anpackt, macht er zu einhundert Prozent. Mit seiner offenen Art reißt er Menschen genauso mit, wie früher durch seine Fähigkeiten auf dem Mountainbike.

Richard Lindhorst, Elferspot

© Fotos: Sascha Bartel (@sashmedia) und Markus Greber (@markusgreber)

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